Harald GAZZETTA

Allesschauerfavoriten. Spannungskonserven

1.
Während also alle unabhängigen, auf Daten basierenden Prognostikquellen immer noch RB Salzburg und Sturm die größten Chancen auf den Meistertitel geben, sieht der österreichische Sportjournalismus, tief verwurzelt in der Generation Allesschauer, Rapid als Titelfavorit. Dabei baut man auf die Meinung von Experten, die ähnlich bereits in den letzten Sommern gedacht haben. Es ist - und das vergessen schon wieder viele - dann in Wahrheit 4 x hintereinander nicht einmal ein Platz in den Top 3 geworden, nah am Titel war man bestenfalls im Cup.

Aber auch das liegt nun schon eine Zeit und einige Trainer zurück. Ergebnistechnisch befindet sich Rapid immer noch in einer permanenten, in der Vereinsgeschichte noch nie dagewesenen Krise. Nun ist es diese Saison wirklich möglich, dass diese Unserie vielleicht wirklich endet. Im Weg ist dabei immer nur das Wörtchen "wirklich", das bei Rapid seit 2016 in der Regel ein erhebliches Hindernis darstellt. Das hat mehrere Gründe. Da ist zunächst einmal die Infrastruktur - Stadion, PR, Trainingszentrum -, die beeindruckt, aber immer auch ein Kostenfaktor war.

Andererseits setzte man auch nie auf personelle Kontinuität und schließlich fehlte es auch in der Regel schlicht an Geld für gute Spieler. All das steht im Gegensatz zur Medienpräsenz und wachsenden Anhängerschaft des Vereins. Nun hat sich das heuer erstmals erheblich geändert. Geld für Spieler ist nun offenbar da. Das ist - da sind wir uns alle einig - hauptsächlich Markus Katzer und seinem Team zu verdanken. Nun verkaufen wir eher unscheinbare Kicker, die weder Kontinuität noch mentale Klasse zeigten, zu unverschämt hohen Preisen nach Frankreich.

Wogegen sich die Konkurrenz nun mit 3,5-Millionen-Deals begnügen muss. Auf die in Topligen vermarktbaren Spielerprofile kommt es an, etwas, für das man bei Rapid zumindest in der Scoutingabteilung einen Blick hat. In der Akademie - und das ist die Bombe - offenbar weniger. Unverblümt kritisiert unser GF Sport - und ohne Rücksicht auf die eigene Rolle dabei -, dass die österreichischen Akademien - also auch die eigene - am Markt vorbei produzierten. Es würden Kicker herausgebracht, die den Erfordernissen der Top-5-Ligen nicht entsprechen.

Gleichzeitig verwehrt sich Katzer dagegen, sein Wirken bei Rapid in die Nähe einer Import-Export-Firma zu bringen. Das ist es nun wirklich nicht. Denn Ablösen werden im Fußball nicht für fertige Waren bezahlt, sondern sie stellen eher ein Entgelt für eine Dienstleistung dar. Diese besteht - den Gedanken Katzers folgend - darin, geeignete Profile so weiterzuentwickeln, dass sie in einer Top-5-Liga platziert werden können. Dieses Modell kennen wir von RB, Sturm und aufgrund des dortigen Tohuwabohus weniger vom LASK, in Ansätzen eventuell noch vom WAC.

All das verstehe ich noch. Weniger begreiflich ist mir ein anderer Gedanke, nämlich der, dass dieser Weg einer permanenten Expansion unterliegt. Sieht man sich derzeit RB Salzburg und Sturm an, so sehe ich eher einen bereits länger zu bemerkenden auffälligen Abwärtstrend. Die Rekordtransfers von RB liegen allesamt schon einige Zeit zurück, zuletzt veräußerte man eher nur mehr Restbestände aus einer besseren Zeit. Noch drastischer stellt sich die Sache bei Sturm dar, wo es in Summe überhaupt nur 5 nennenswerte Transfers gegeben hat.

Die waren: Høljund und Yeboah (vor 2023), Emegha, Prass und Biereth (2023 - Winter 2025). Seither sind die Gewinne an den Spielern eher Import-Export: Netto erlöst man für Böving nun 1,3 Mio (3,5 - 2,2), Wlodarczyk (um 2,2 geholt) oder Teixeira (1,2) sind Ladenhüter. Tatsächlich ist es weder Sturm noch dem LASK gelungen, das Modell RB erfolgreich auf Dauer zu kopieren. Das Risiko von Fehlinvestitionen besteht natürlich auch bei Rapid. Ob Amane, Ndzie, Tilio oder Dahl wirklich gewinnbringend in einer Top-5-Liga landen, ist nicht absehbar.

Umso erstaunlicher ist die Prophetengabe mancher Diskutanten, die allesamt davon ausgehen, dass der eingeschlagene Weg nun zwangsläufig nach oben führt. Bei ihnen sind nicht die Janssons oder Sangarés am Absturz Rapids im Frühjahr schuld, sondern Grgić, Seidl, Schaub und Auer. Was freilich erstaunlich ist. Denn wenn die Kicker so großartig waren wie jetzt getan wird, dann sind die Ergebnisse im Frühjahr eigentlich unerklärlich. Dann verstehe ich deren Auftritte in Hartberg, Linz oder Wolfsberg nicht. Warum haben sie sich da als unauffällig erwiesen?

Die Transferzeit geht nun doch endlich zu Ende. 96,03 Mio Euro hat die gesamte Liga für 182 Abgänge eingenommen, die besten Geschäfte machte einmal mehr RB Salzburg, die 65 Mio Euro für Nene, Gloukh, Dedić usw. kassierten. Mit Abstand folgt Rapid, wo 18,8 Mio reinkamen. 6 Mio gingen noch an Sturm, 3,35 an den LASK und 2 Mio an die Austria. Der Rest ist eher bescheiden. 27,1 Mio Euro wurden investiert, auch da ist Salzburg mit 10,6 vor Rapid 7,5 und Sturm 4,7 vorne. 2,4 gab der FAK aus, 1,26 der LASK. Auch hier ist der Rest nicht der Rede wert.

Der österreichische Transfermarkt erzielt also weiterhin Erlöse zu gut 2/3 aus dem RB-Bereich, Rapid nähert sich heuer der 20-%-Marke, Sturm dagegen krabbelt bei 10 % herum und der Rest ist weit unter dem Zwölftel (= 8,3 %), das adäquat wäre. Ausgabenseitig läuft es anders. Da ist RB mit 10,6 Mio nur bei 39 %, da hat Rapid (7,5) mit 27,6 % enorm aufgeholt. Wie es Salzburg bei solchen Zahlen 3 x hintereinander gelingen soll, nicht Meister zu werden, ist auch ein Rätsel. Welche Misswirtschaft muss da herrschen, aber das erläutert uns keiner.

Andererseits muss Rapid nun fast zumindest einen Top-3-Platz einfahren, sonst sollten doch einige Dinge hinterfragt werden. Denn auch wenn sich die Personalpolitik nun in einem satten Transferplus niederschlägt, muss nun doch auch am Spielfeld wirklich abgeliefert werden.

2.
Rapid hat 2024/25 die höchste Punkteanzahl eines österreichischen Vereins in der 5-Jahreswertung erreicht - 4,55 Punkte. Davon wurden 0,9 in der Qualifikation (4S 1U/halbiert) und 1,8 in der Ligaphase (4S 1U) und 1,0 danach (2S 1U) gutgeschrieben. 0,85 waren also Bonuspunkte. Die man sich für Platz 4 in der Ligaphase (0,65), das Erreichen von Achtel- und Viertelfinale (0,2) selbst erarbeitet hat. Heuer konnte man aus der Qualifikation bisher 0,8 Punkte (3S 2U) erringen. In der Ligaphase zählen nun die Punkte voll, 2,4 gäbe es bei 6 Siegen.

Realistisch freilich ist ein Ergebnis wie vor einem Jahr eher nicht. Da hat es die Auslosung diesmal nicht ganz so gut gemeint, andererseits sind solche Erfolge auch nicht so leicht wiederholbar. Aber einige Punkte sollten es schon noch werden, die Chance dafür lebt jedenfalls. Es gibt übrigens - da habe ich mich geirrt - in UEL und UECL keine Fixpunkte für das Erreichen der Ligaphase in der 5-Jahreswertung, das zählt nur für die Klubrangliste. Für den Sieg der UEL-Phase gäbe es 1,2, der UECL-Phase 0,8 Bonuspunkte, bis Rang 24 gibt es dann Punkte.

Rang 4 bringt etwa 0,65, 8 0,45, 16 0,225, wobei bei allen Plätzen bis 8 die Fixqualifikation für das Achtelfinale (0,1) dazuzuzählen ist. Sollten wir das heuer wirklich noch einmal schaffen, wäre das schon ein Wunder, ein Platz unter den ersten 24 dagegen wäre schon machbar. 11 Punkte (3-2-1) reichten 2024/25 für die Plätze 8 - 11, 7 (2-1-3) für 21 - 25. Das ist schon eng, ohne Siege geht da gar nichts (zB LASK 35. - 3 Punkte [0 3 3]). Auch das Torverhältnis kann da wichtig sein, wenn wie vorige Saison bis zu 5 Teams punktegleich waren.

Vorige Saison belegten diesjährige Gegner von uns in der UECL folgende Plätze: 3. Fiorentina (13 Punkte), 22. Omonia (7), polnische Vertreter wurden 7. (Legia 12) bzw. 9. (Jagiellonia 11), Borać aus Bosnien (8) belegte Platz 20. Rumänien war letzte Saison nicht vertreten. Mit morgen sind es also 12 Spiele, die Rapid in kürzester Zeit absolviert hat, nun geht es etwas gemächlicher weiter: Im September gibt es nur mehr 4 Spiele (3 Liga, 1 Cup), im Oktober 5 oder 6 (3 Liga, 2 UECL, 1 Cup), im November 6 (4 L, 2 U) und im Dezember 4 (2 L, 2 U).

Wir haben also folgende Verteilung der 32 Spiele: Juli 3, August 9, September 4, Oktober 6, November 6, Dezember 4. Die Intensivphase, die jedenfalls als sehr erfolgreich bezeichnet werden kann, geht nun morgen zu Ende, danach kommt eine Phase, in der man anders arbeiten muss. Die Spannung muss einerseits auch ohne regelmäßige Bewerbsspiele aufrecht erhalten werden, andererseits wäre nun eigentlich genug Zeit, gewisse Schwachstellen auszumerzen, die Neuen noch besser in das Mannschaftsgefüge zu integrieren. Das gelang zuletzt nicht immer.

1 month ago (edited) | [YT] | 5