Bachstiftung

Predigthafte Eindringlichkeit und beträchtliche musikalische Sogkraft zeichnen Bachs 1726 komponierte Kantate «Herr, deine Augen sehen nach dem Glauben» aus. Ihr beeindruckend weiträumiger Eingangschor lässt allen Textgliedern eine gleichermassen sprechende Behandlung zuteil werden – ein reichhaltiges Material, das Bach noch um 1737 für wert befand, in das Kyrie seiner Missa brevis g-Moll BWV 235 einzugehen. Die extravagante Linienführung, zerrissene Faktur und eingedunkelte Harmonik der Ariensätze illustriert hingegen den allen unbussfertigen Seelen drohenden Schaden, der aus der Verachtung der göttlichen Gnade resultiert. Kulminierend im totentanzähnlichen Schlusschoral, stellen Musik und Text Takt für Takt beklemmende Fragen und lassen dabei wenig Raum zum abwartenden Ausweichen.

Preaching intensity and considerable musical pull characterize Bach’s 1726 cantata “Herr, deine Augen sehen nach dem Glauben” (Lord, thine eyes look after true believing). Its impressively expansive opening chorus grants every textual element an equally eloquent treatment – rich material that Bach still deemed worthy around 1737, when he reworked it into the Kyrie of his Missa brevis in G minor, BWV 235. By contrast, the extravagant melodic lines, fragmented textures, and darkened harmonies of the arias illustrate the peril threatening all unrepentant souls as a consequence of scorning divine grace. Culminating in the dance-of-death–like closing chorale, music and text pose unsettling questions measure by measure, leaving little room for hesitant evasion.

2 months ago | [YT] | 13